Muslime missbrauchen Rassismusbegriff
Der menschliche Makel
Die
Muslimverbände bagatellisieren nicht nur den Rassismus-Begriff, sie
schlagen auch Kapital aus dem Schreckenswort. Es wird zum Knüppel gegen
Kritik und verschleiert eigene Ressentiments. VON NECLA KELEK
Unter den Muslimen in Deutschland wird das Schreckenswort "Rassismus" zum Knüppel gegen Kritik, meint Necla Kerek. Foto: dpa
Der Mensch wird
als Muslim geboren, wenn nicht, macht ihm der Islam das Angebot, diesen
menschlichen Makel durch Übertritt zu tilgen. Jedes Kind mit einem
muslimischen Vater ist nach islamischem Brauch per Geburt Muslim, denn
Muslimsein ist in den Augen der Gläubigen die natürliche Form des
Menschseins. Austreten kann man aus dieser Religion nicht, es sei denn,
man nimmt den Tod mit anschließender Höllenfahrt in Kauf.
Necla Kelek
wurde 1957 in Istanbul geboren. In Deutschland hat sie über das Thema
"Islam im Alltag" promoviert. Sie ist Mitglied der Deutschen
Islamkonferenz und engagiert sich gegen Zwangsheirat. Foto: dpa
Der Einzelne ist per Geburt Muslim, wie ein
anderer große Ohren oder blonde Haare hat. Eine Entscheidung über
diesen Zustand steht ihm nicht zu, er ist sozusagen von Gott gegeben.
Ihn wegen dieser Besonderheit oder dieses Stigmas zu kritisieren, ist
deshalb diskriminierend, weil Muslimsein das eigentliche menschliche
Privileg ist und ein Muslim nichts dafür kann, dass er Muslim ist.
So jedenfalls erscheint das schlichte
Argumentationsmuster des Koordinierungsrats der Muslime (KRM), der
Dachorganisation der Islamverbände in Deutschland, und des
Interkulturellen Rats, eines Zusammenschlusses von Gewerkschaftern und
anderen "Antirassisten", zu sein. Sie rufen ab heute zu
"Internationalen Wochen gegen Rassismus" auf: "Islamfeindlichkeit ist
die gegenwärtig an meisten verbreitete Form von Rassismus in
Deutschland", lassen sie verlauten.
Nun könnte man sich über die Schlichtheit der
Argumentation lustig machen (es würde wohl wiederum den Vorwurf des
Rassismus nach sich ziehen), wenn die Sache nicht so politisch irre
wäre. Irre, weil hier die Spitzenorganisation des Islam in Deutschland
die Muslime zu Opfern von Rassismus stilisiert, ohne auch nur einen
Gedanken daran zu verschwenden, wie gefährlich es ist, Begriffe auf
diese Weise zu bagatellisieren. "Unter Islamfeindlichkeit verstehen
wir", so im Aufruf der Organisatoren "wenn Muslime herabwürdigend
beurteilt und Diskriminierungen befürwortet werden". Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen zum Beispiel
wird in diesem Sinne als Diskriminierung gewertet und ist somit
rassistisch. Der Versuch, den Diskurs über Wesen und Alltag des Islam,
seiner Sitten und Auswüchse zu verhindern, indem man Kritik oder
Ablehnung als "rassistisch" diskriminiert, zeigt wie weit die
Islamverbände und die sogenannten Antirassisten ideologisch
argumentieren. Das Schreckenswort "Rassismus" wird zum Knüppel gegen
Kritik.
In den türkischen Zeitungen und dem inzwischen
inhaltlich von der AKP dominierten staatlichen Rundfunk TRT werden
täglich ausführliche Berichterstattungen über die angeblichen
Diskriminierungen der Muslime, besonders in Europa, gesendet. Der Ton
gegenüber Deutschland und Europa wird zunehmend anklagender, es scheint
ein gezieltes Interesse daran zu bestehen, die Muslime aus der
europäischen Gemeinschaft auszugrenzen. Täglich führt man den
Landsleuten vor: Seht her, man will euch nicht.
Islamfunktionäre, die einerseits in allen
möglichen staatlichen Gremien und Konferenzen sitzen und die
Integrationspolitik mitbestimmen, beklagen sich wortreich darüber, in
Europa ausgegrenzt zu werden.
Die türkische Tageszeitung Hürriyet
schreibt täglich darüber, wie schrecklich es den Türken und Muslimen in
Deutschland geht, gibt aber gleichzeitig Tipps, wie man nach
Deutschland kommen kann, ohne einen Deutschkurs zu belegen. Nämlich:
Man wird schwanger. Es gibt im Türkischen ein Sprichwort, das lautet:
"Die Katze, die nicht ans Futter kommt, sagt, es sei verdorben." So
kann man sich auch einem Dialog entziehen, indem man Kritik zu
Beleidigungen umdeutet und der Bevölkerung ein Feindbild suggeriert,
weil die eigenen Konzepte scheitern.
Da solche Kampagnen aus der Türkei über den
regierungstreue türkischen Islamverband Ditib nach Deutschland
transportiert werden, macht es Sinn, dass sich der KRM, in dem die
Ditib großen Einfluss hat, sich an solchen "Rassismus"-Kampagnen
beteiligt.
Irre ist es auch, weil KRM und Interkultureller
Rat dann wiederum aus "rassistischer" Diskriminierung (öffentliches)
Kapital zu schlagen versuchen. Rassismus ist wie Nazismus und
Antisemitismus das Schlüsselwort, um zum Beispiel öffentliche Gelder zu
akquirieren. Wer es schafft, Rassismus, Antisemitismus und Islamkritik
und -feindlichkeit in einem Atemzug zu nennen, der steht kurz davor,
seine Koranschulen und Moscheeführungen mit Mitteln aus den Fonds gegen
Rechtsradikalismus zu finanzieren.
Es gibt einige Projekte, die gegründet wurden,
um Aufklärungsarbeit gegen Rassismus zu leisten, die werden auf diese
Weise "umgewidmet". Veranstalter, die Fortbildung in Sachen
Antifaschismus anbieten, erweitern ihr Geschäftsfeld auf den Bereich
"Islamophobie". Gern betonen die Muslime in diesem Zusammenhang (in
anderen weniger) die Nähe zu den Juden. Man empfiehlt in dem Aufruf
"abrahamische Teams aus Juden, Muslimen und Christen" in die
Universitäten und Schulen zu schicken, damit sie verkünden können:
"Islam bedeutet Frieden und freiwillige Hingabe an Gott."
Es wird mit Schlagworten wie
"Völkerverständigung und Toleranz" versucht, einen "Schulterschluss der
Opfer gegen Rassismus und Diskriminierung" herzustellen, wo es gar
keine ursächliche Übereinstimmung gibt, weil die Ausgangslage
grundverschieden ist. Nach dem Motto "Wir glauben alle an den einen
Gott und werden von den Deutschen diskriminiert" wird eine
Pseudo-Solidarität postuliert.
Natürlich müssen wir über Rassismus in
Deutschland sprechen und gegen Diskriminierung vorgehen. Aber die
Islamverbände sollten dabei zunächst vor der eigenen Tür kehren und
kritisch hinterfragen, wie manche, angeblich so tolerante und
friedliebende Muslime über die Deutschen denken. Wer mitbekommt, wie
eine Gruppe muslimischer Jungen und Mädchen, Männer und Frauen unter
sich über deutsche Mädchen, die Deutschen oder die Juden reden, dem
wird es schlicht die Sprache verschlagen über die Ablehnung und die
Verachtung, die ihm entgegenschlägt.
Nicht nur die Ausbrüche der Familie des
Schwesternmörders Obeidi nach der Urteilsverkündung in Hamburg werfen
ein grelles Licht auf diese Weltsicht. Eine Kampagne gegen Rassismus
und Nationalismus in den Reihen der Islamverbände, eine Aufarbeitung
des Verhältnisses zu Christen, Juden und "Ungläubigen", die Klärung der
Verhältnisse zu den Deutschen, den Minderheiten in den
Herkunftsländern, all das wäre ein Thema nicht nur für Wochen, sondern
für Generationen.
NECLA KELEK kommt zum taz-Kongress am 18./19. April in Berlin. Infos unter: www.taz.de/30jahre
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