Humaner wollte die türkische Regierung den PKK-Chef Abdullah Öcalan behandeln, verlegte den zu lebenslanger Haft verurteilten 60-Jährigen deshalb in eine renovierte Zelle und verschaffte ihm die Gesellschaft von fünf Mitgefangenen, um den Vorwurf der Isolationshaft zu entkräften. Doch jetzt heizen Öcalans Haftbedingungen den Kurdenkonflikt an, statt ihn, wie die Regierung gehofft hatte, zu entschärfen: In zahlreichen Orten in den südostanatolischen Kurdenprovinzen kam es in den vergangenen Tagen zu Protesten und Krawallen, so in Yüksekova, Semdinli und Mersin, wo Demonstranten Polizeistationen angriffen. In Diyarbakir flogen Brandflaschen gegen Behördengebäude. Die Unruhen forderten bereits ein Todesopfer: In Mersin starb am vergangenen Wochenende ein 16-Jähriger durch eine Polizeikugel. Auch in Istanbuler Stadtvierteln flammten Proteste auf.
Haftsituation vorgeschoben
Beobachter vermuten, dass sich die von der PKK organisierten Proteste in Wirklichkeit weniger gegen Öcalans Haftbedingungen als vielmehr gegen die neue Kurdenpolitik der Regierung richten. Ministerpräsident Tayyip Erdogan will mit der Lockerung der kurdischen Sprachverbote, mit mehr kulturellen Rechten und der gesellschaftlichen Reintegration von PKK-Rebellen den Weg zu einer friedlichen Lösung ebnen. Zumindest der militante Flügel der PKK fürchtet aber offenbar, dadurch an Einfluss zu verlieren.
Die neue Kurdenpolitik stößt allerdings auch bei türkischen Nationalisten auf Ablehnung. Auch sie versuchen, den Konflikt zu schüren, um Erdogans "Demokratie-Initiative", die unter dem Motto "Mehr Freiheit für alle" steht, zu sabotieren. So kam es am vergangenen Sonntag im westtürkischen Izmir am Rand einer Kundgebung der Kurdenpartei DTP zu schweren Ausschreitungen: Türkische Nationalisten attackierten mit Steinwürfen, Eisenstangen und Holzknüppeln einen Fahrzeugkonvoi der DTP, riefen "Kurden raus" und stimmten die türkische Nationalhymne an.
Quelle: Konflikt in der Türkei