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Karayilan: Die "alte" PKK gibt es nicht mehr
kurd-forumDatum: Samstag, 16.05.2009, 13.32.01 | Nachricht # 1
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Nachrichten: 406
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Karayilan: Die "alte" PKK gibt es nicht mehr
Bei meinem beinahe 4-stündigen Gespräch mit der Nummer 1 der PKK, Murat Karayilan, in einer Lehmhütte am Fuße des Kandil Gebirges habe ich ständig versucht ein Thema anzusprechen:
Wird die PKK die Waffen niederlegen? ...
Kommen die Kämpfer von den Bergen herunter? ...
Irgendwann sagte Karayilan dann: "Sehen Sie, wir sind nicht in die Berge gegangen, weil wir den Verstand verloren haben. Wir sind auch nicht in den Bergen zum Picknick, wie einige es behaupten."

Als er auf das Thema zu sprechen kommt, dass die PKK von den Bergen herunterkommt, ziert ein ironisches Lächeln das Gesicht von Karayilan. Sein Gesichtsausdruck verrät zugleich, dass das nicht so einfach ist und dass noch andere Dinge bewerkstelligt werden müssen, bevor das wahr werden kann. Als ich ihn weiter ausquetschte gab er folgende Antwort: "Von der PKK zu verlangen, sie soll die Waffen niederlegen, ist wie eine in die Luft – also ins Leere – geschossene Patrone. Die PKK soll die Waffen niederlegen, aber wohin? Wie? Wem soll sie die Waffen aushändigen? Wie lautet die Grundlage des Waffenaushändigens? Es hat keine Bedeutung zu sagen: gebt die Waffen ab. Lasst uns zunächst an einem Tisch Platz nehmen, lasst uns zunächst über alles reden."

"Wir sind auf einer vernünftigeren Linie"

Murat Karayilan zufolge kommt man nicht weit, wenn man die PKK als "Terrororganisation" bezeichnet. Er sagt, dass die PKK zur gleichen Zeit die Hoffnungen der Kurden darstelle und aus diesem Grund unterstützt werde. Und er wiederholt ständig: "Die PKK ist nicht mehr die alte PKK."

Wenn man ihn frägt, wie die PKK sich verändert hat, dann lässt sich seine Antwort so zusammenfassen: "Die PKK ist im Gegensatz zu früher auf einer vernünftigeren Linie. Zum Beispiel forderte sie zuvor ein unabhängiges Kurdistan. Das ist Vergangenheit. Die PKK ist also nicht mehr "separatistisch". Wir wollen, dass die Kurden innerhalb der türkischen Staatsgrenzen ein gleichberechtigtes und freies Leben führen können. Ich möchte auch betonen, dass dies kein taktisches Manöver unsererseits ist. Den Kurs in Richtung Separatismus – also die Forderungen nach Unabhängigkeit – haben wir bereits 1993 aufgegeben und 1999 (nach der Verhaftung und lebenslangen Haftstrafe für Öcalan, die Milliyet-Red.) fortgesetzt. Die Zielvorstellungen haben sich verändert."

"Wie haben sie sich verändert?" "Schauen Sie, wir sagen nur noch 'demokratisch-selbstverwaltetes Kurdistan'. Diese Selbstverwaltung beabsichtigt nicht einmal mehr Föderalismus. Es heißt nicht, dass die Grenzen neu gezogen werden. Es ist auch eine Lösung, welche die einheitliche Struktur des Landes nicht zerstört. Die Verwaltungsstruktur verändert sich, die lokale Administration wird stärker."

"Es gibt auch von unserer Seite Fehler"

Nach einiger Zeit betonte er wieder einen Sachverhalt, den er bereits zuvor erwähnt hatte: "Zuerst müssen die Waffen schweigen!" "Später?"

"Später geht es darum, der kurdischen Identität kulturelle Rechte zuzugestehen [hier verweist er auf eine Verfassungsänderung, Anm.: Milliyet-Red.] und einen 'gesellschaftlichen Versöhnungsprozess' einzuleiten, der von manchen auch als Amnestie verstanden wird. Das ist eine Sache mit zwei Seiten. Auf der einen Seite wurden bewaffnete Aufstände verübt... auf der anderen Seite wurde eine Verleumdungspolitik verfolgt... gegenüber den Kurden. Wir haben über 17 000 Mordopfer zu beklagen durch unbekannte Täter... Aber auch von unserer Seite kam es zu Fehlern. Deshalb sprechen wir von einem 'gesellschaftlichen Versöhnungsprozess'. Das ist eine Sache, die auf Gegenseitigkeit beruht, eine Sache, die zwei Parteien braucht. Dieses Projekt bedeutet, dass man sich gegenseitig vergibt. Es bedeutet, sich unter einer neuen Verfassung und einer gewollten Einheit zu versöhnen. Und alle unsere Anliegen beruhen darauf, dass die Kurden ihre Kultur frei ausleben können."

"Die Kurdenkonferenz kann eine Grundlage für den Frieden sein"

Mir fällt auf, dass Bozan Tekin und Sozdar Avesta aus der PKK-Führungsriege, die ebenfalls mit uns in diesem Haus am Fuße des Kandil Gebirges sitzen, sich nie zu Wort melden.

Ich spiele noch einmal auf das Thema Waffen abgeben und des Verlassens der Berge an, diesmal im Zusammenhang mit der Kurdenkonferenz. Ich sage folgendes: "In Arbil wird eine pankurdische Konferenz zusammentreten und von der PKK fordern die Waffen niederzulegen; das Szenario soll im Vorhinein so abgestimmt werden, dass die PKK sofort in den Prozess der Waffenabgabe treten kann. Eine solche Erwartung wurde geäußert. Aber später wurde die Konferenz in den Herbst verschoben. Waren Sie – also die PKK – der Grund dafür?"

Murat Karayilan schließt sich dem an, dass im Zusammenhang mit der Kurdenkonferenz eine solche Erwartung hervorgebracht wurde. Dazu kommt er lachend und ein wenig höhnisch auf die Rolle des kurdischen Staatspräsidenten des Irak, Celal Talaban,i zu sprechen. Zur gleichen Zeit betont er, dass er die Kurdenkonferenz als wichtig erachte und sagt: "Die Konferenz war anfänglich unsere Idee. Aber die letzten Initiativen stammen nicht von uns. Wenn man alles richtig macht, dann kann diese Konferenz die Grundlage für den Frieden bilden. Aber auch das ist eine Wahrheit: Solch eine Konferenz wird nicht zusammentreten, damit die PKK genau dann die Waffen niederlegen soll."

"Özal beschäftigte sich sehr mit der Kurdenfrage"

Die Nummer 1 der PKK hat eine Frage, die ihn beschäftigt: Wird man erneut in die 1990er zurückgehen? Vor allem zurück in das Jahr 1994... In die Zeit, als im Südosten urplötzlich ein Feuer entfacht wurde... Karayilan frägt: "Wird die Regierung, wie in den 1990ern dem Militär das Zepter in die Hand geben?"

Karayilan sucht eine Antwort auf diese Frage. Zusammengefasst hat er dies gesagt: "1993 ist Özal gestorben, und die Gelegenheit zum Frieden wurde verspielt. Özal war jemand, der die Bedeutung der Kurdenfrage erkannte und Überlegungen zur Lösung des Problems anstrengte. 1993 starb Özal und 1994 war wirklich mörderisch. Erwartet uns wieder eine Offensive wie 1994? Wir spüren etwas, sind uns aber nicht sicher. Wird die Regierung Erdoğan erneut dem Militär das Zepter in die Hand drücken und erleben wir erneut ein solches Blutbad? Was glauben Sie?"

"Das Militär kann also auch warten..."

Murat Karayilan versucht die Phase nach dem 29. März zu deuten. Er sagt, dass es ein Szenario gab, demzufolge die Stimmen der DTP stark zurückgehen würden, dass Erdoğan diesbezüglich große Anstrengungen unternommen habe, dass er sich seiner Sache zu sicher war und später enttäuscht wurde, da die DTP bei den Wahlen sowohl ihre Stimmen als auch ihre Bürgermeisterämter vermehren konnte.

Bei diesem Szenario verweist er auch auf die verdreckte Rolle des Militärs und sagt: "Vor dem 29. März wurde ein Liquidierungsplan geschrieben. Ein Szenario im Zusammenhang mit dem Stimmverlust der DTP... dieser wurde aber nicht real. Wir haben in 25 Jahren den ruhigsten Winter erlebt. Die Armee wartete bis zum 29. März. Das heißt, das Militär kann also auch warten. Wieso hat das Militär in der Wahlkampfphase keine Operationen durchgeführt? Also, das hat bei uns für Hoffnung gesorgt. Es zeigten sich einige Lösungsindikatoren. Wir dachten, dass wir wie das Militär in eine neue Phase eintreten könnten. Aber das passierte nicht. Gleich am nächsten Tag nach den Wahlen, also am 30. März begannen die Militäroperationen... am 14. April wurde das Startsignal für die Operation gegen die DTP gegeben. Die Wahlergebnisse hingegen hatten uns in Bezug auf Frieden und Demokratie große Hoffnungen bereitet.

"Wo ist der Premierminister von 2005?"

Während unserer 4-stündigen Unterhaltung kam Karayilan einige Male auf Erdoğan zu sprechen. Er bezog sich auf eine Rede, die Erdoğan 2005 in Diyarbakir hielt. Bei dieser Rede hatte er gesagt: "Die Kurdenfrage ist auch unsere Frage; in dieser Sache hat auch der Staat einige Fehler gemacht, diese lassen sich korrigieren."

Die Nummer 1 der PKK betonte ein ums andere Mal, dass von dieser Rede Erdoğan s nichts zurückgeblieben sei und wiederholte ständig eine Sache: Das Fehlen des politischen Willens … Karayilan sagte folgendes: "Ich kann nicht optimistisch sein. Es gibt keinen politischen Willen in der Kurdenfrage. Das Fehlen dieses Willens ist ein wichtiges Problem. Heute haben sich auch einige Ansichten der Generäle verändert. Aber wo bleibt der politische Wille? Wo ist der Premierminister, der 2005 diese Worte sagte? Wo ist der Erdoğan, der einen Kurdenbericht verfasst und der Führung seiner Partei vorgelegt hatte?"

"Der bewaffnete Kampf befindet sich heute auf einem Kurs der legitimen Verteidigung"

Karayilan kommt erneut darauf zu sprechen, dass die "PKK nicht mehr die alte PKK" sei. Er versucht erneut zu erklären, dass die PKK sich verändert hat. Er sagt, dass die PKK für die Medien offen sei: "Sie sollen kommen, um uns durch uns kennenlernen". Er weist darauf hin, dass sich die Kampfformen verändert haben: "Wir sind nicht die PKK, die wir vor 10 Jahren waren. Wir führen auch nicht mehr den Krieg mit den klassischen Methoden. Wir kämpfen auf dem Fundament der legitimen Verteidigung. Wir legen unseren Schwerpunkt auf unsere Massenbewegung, auf den zivilen Ungehorsam und auf politische Arbeit. Aber was soll man mit 6000 - 7000 Kämpfern machen? Sie sind die Garantie für alle Errungenschaften, die Garantie für den legitimen Verteidigungskampf... Wir wollen nicht den Tod der Menschen. In den letzten 4 Jahren befinden wir uns in einer eingeschränkten Kriegshandlung. Nicht wie 1993 oder 1994. Wenn sie in ländlichen Gebieten auf dich zukommen, dann verteidigst du dich."

"Die Explosion in der Nachhilfeeinrichtung lag außerhalb unserer Kontrolle"

Später fügt er noch dies hinzu: "Wenn in der neuen Phase, also nach den Wahlen vom 29. März ein Krieg losgebrochen wird... daran wollen wir nicht mal denken. In so einer Situation würde der Krieg den aus den 1990ern übertreffen, er würde noch gewalttätiger verlaufen, von beiden Seiten. Wir wollen das nicht. Aber wir sind für diesen Fall auch gewappnet. Es können nicht willkürliche Beschlüsse gefasst werden. Wir würden nichts Unkontrolliertes unternehmen. Ein Kampf, der unschuldigen Menschen und Zivilisten schadet und über den legitimen Verteidigungskampf hinausgeht, fällt unter die Sparte Terror."

Karaylian kommt in diesem Zusammenhang auf die schreckliche Explosion vor einer Nachhilfeeinrichtung in Diyarbakir zu sprechen und sagt: "Das war sehr falsch. Wir haben diese Tat nicht in Auftrag gegeben. Das geschah außerhalb unserer Kontrolle."

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Zusammengestellt und aus dem Türkischen übersetzt von SiWan auf der Basis des Interviewartikels von Hasan Cemal, erschienen bei Milliyet am 6. Mai 2009 unter dem Titel "Karayılan: PKK artık eski PKK değil"


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