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Öcalan bekommt Gesellschaft
Gula-EvineDatum: Dienstag, 17.11.2009, 19.50.33 | Nachricht # 1
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Gruppe: Administratoren
Nachrichten: 93
Status: Offline
Die Türkei hat fünf Häftlinge auf die Insel Imrali verlegt und damit die Isolation des PKK-Führers Abdullah Öcalan beendet, der dort seit 1999 alleine inhaftiert war. Was bezweckt die türkische Regierung damit?

Die Ende der fast elfjährigen Einzelhaft für Abdullah Öcalan ist Teil einer Initiative der türkischen Regierung zur friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts. Ankara will zu einem regionalen Machtzentrum aufsteigen – ungelöste innere Konflikte stören da nur.

Seit Dienstag nun ist der kurdische Rebellenchef nicht mehr allein auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul. Fünf zusätzliche Häftlinge, allesamt Mitglieder von Öcalans PKK, wurden am frühen Morgen nach Imrali verlegt. Weitere drei Häftlinge sollen in den nächsten Tagen folgen. Sie werden in einem für mehrere Millionen Euro neu errichteten Gefängnisgebäude untergebracht, in dem es unter anderem einen „Hobbyraum“ für soziale Kontakte gibt. Öcalan soll zudem erstmals seit seiner Festnahme im Februar 1999 einen Fernseher erhalten – auch wenn der nach Medienberichten so eingestellt wird, dass er nur den Staatssender TRT empfangen kann.

Allein die Tatsache, dass die Erleichterung der Haftbedingungen für den türkischen Staatsfeind Nummer eins fast lautlos über die Bühne ging, zeigt das Ausmaß der Veränderung in der Türkei in den vergangenen zehn Jahren. Zwar schimpfte eine Nationalistenpartei in Ankara über die Entscheidung, doch darüber hinaus gab es kaum Unmutsäußerungen. Vor zehn Jahren forderten viele Türken Öcalans Hinrichtung. Damals galt ein Plädoyer für eine politische Lösung des Kurdenkonflikts als Landesverrat – heutzutage ist diese Ansicht mehrheitsfähig.

Das liegt vor allem daran, dass viele Türken den Krieg der PKK gegen die Armee nach 25 Jahren und mehr als 40 000 Toten endlich beendet sehen wollen. Seit einigen Monaten feilt die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an einem Maßnahmenpaket. Erdogan sicherte sich dafür die Rückendeckung durch die Armee, die ebenfalls öffentlich eingeräumt hat, dass der Konflikt militärisch allein nicht zu lösen sei.

Ein Schwerpunkt von Erdogans Plan ist die Ausweitung der Sprachfreiheit für die rund zwölf Millionen Kurden im Land. Zeitbeschränkungen bei der Ausstrahlung kurdischsprachiger Fernseh- und Radiosendungen wurden bereits aufgehoben, die Einrichtung von Kurdisch- Instituten an staatlichen Universitäten ist eingeleitet. Kurdische Dörfer und Städte sollen ihre in den vergangenen Jahrzehnten durch türkische Namen ersetzten alten Namen wieder einführen dürfen. Kurdisch soll zudem Wahlfach in den Schulen werden.

Auch staatliche Investitionen wie der Bau neuer Flughäfen, eine Stärkung der lokalen und regionalen Selbstverantwortung sowie eine Reduzierung der Militärpräsenz im Kurdengebiet sollen zur Konfliktlösung beitragen. Gleichzeitig arbeitet die Regierung Erdogan intensiv an einer Verbesserung ihrer Beziehungen zu den kurdischen Regionalbehörden im Nordirak, wo die PKK ihr Hauptquartier hat. Druck der irakischen Kurden soll die PKK-Rebellen dazu bewegen, die Waffen niederzulegen. Nach bisher unbestätigten Berichten soll die Führungsriege der PKK ins skandinavische Asyl geschickt werden.

Die legale türkische Kurdenpartei DTP schätzt, dass der Krieg innerhalb von drei Monaten vorbei sein könne, wenn der Staat die richtigen Schritte unternimmt. Sollte es Erdogan tatsächlich gelingen, die Kurdenregion zu befrieden, sichert er sich nicht nur einen Platz in den Geschichtsbüchern (und wohl den nächsten Wahlsieg gleich mit). Die Türkei könnte ohne den Ballast des Kurdenproblems einen großen Sprung nach vorne tun.

In den vergangenen 25 Jahren wurden tausende Dörfer zerstört und Millionen Menschen in die Flucht getrieben, der Staat gab Milliarden für Waffen und Soldaten aus, das innenpolitische Klima wurde vergiftet – eine Türkei ohne Kurdenproblem stünde sozial, wirtschaftlich und nicht zuletzt mit ihrer EU-Bewerbung deutlich besser da als heute. Damit wird ein weiterer Aspekt der Kurdeninitiative sichtbar. Die Türkei will sich mit einer Lösung des Konfliktes eines der Probleme entledigen, die sie daran hindern, eine regionale Führungsmacht zu werden.

Außenminister Ahmet Davutoglu, langjähriger Berater des Premiers und Architekt der Führungsmachts-Vision, hat genaue Vorstellungen davon, wie die Türkei dieses Ziel erreichen kann. Das Land müsse seine inneren Konflikte überwinden und seine Wirtschaft stärken, sagt Davutoglu. Zudem strebt er einen Zustand von „null Problemen“ mit sämtlichen Nachbarstaaten an. In den vergangenen Monaten verbesserte Ankara die Beziehungen zu Syrien, Irak und Iran und legte die Grundlagen für eine Annäherung an Armenien. Derzeit arbeiten die Türken an neuen Initiativen für den Zypernkonflikt und für das Verhältnis zu Griechenland.

Als einziges muslimisches Nato-Mitglied und als EU-Bewerberland, das ein enger Partner der USA ist und gleichzeitig mit den Iranern redet, sieht sich die Türkei in einer einzigartigen regionalpolitischen Position. Davutoglus Politik geht allerdings nicht ohne Pannen ab: So leistete sich die Türkei jüngst einen Streit mit Israel und verhielt sich merkwürdig freundlich gegenüber dem vom Internationalen Strafgerichtshof als mutmaßlicher Kriegsverbrecher geächteten sudanesischen Präsidenten Hassan Ömer al Baschir.

Doch dies dürfte die Erdogan-Regierung ebenso wenig von ihrem Kurs abbringen wie die Beschwerden der Nationalisten über Öcalans neue Mithäftlinge. „Die Demokratie wird dieses Land nicht zerstören, sondern stärker machen“, sagte Erdogan vergangene Woche im Parlament. „Wir müssen in so großen Maßstäben denken wie bei der Gründung der Republik.“

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/zeitung....2952797

 
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